Lärmproblematik für Natur und Mensch. Lärm behindert die Kommunikation der Tiere und erhöht deren Stresslevel. Es folgen Beispiele aus dem vielfältigen Ruf- und Gesangsrepertoire der Amsel.
Tonaufnahme 1: „Blick auf das Dreisamtal, Hubschrauber“
Sonntagmittag im Frühling, 19. April 2020, 12:44. Baum der Erkenntnis. Ein Rettungshubschrauber kommt aus dem Schwarzwald und fliegt durch das Dreisamtal Richtung Freiburg.
Ein wunderschöner Blick ins Dreisamtal. Ein Ort, der optisch eine hohe ästhetische Attraktivität besitzt und zur Besinnung und Ruhe einlädt. Schließen Sie nun die Augen und hören Sie.
Die Geräusche der B31 beeinflussen auch die hiesige Klanglandschaft, selbst wenn man die vielbefahrene Straße nicht direkt sieht. Sie ist im vorderen Kapplertal bis auf Höhe des Dobelpeterhofs und Herchersattels immer da zu hören, wo sich der Berghang zum Dreisamtal neigt.
Tonaufnahme 2a: „Beispiel eines Amselgesangs“ – Quelle: Tierstimmenarchiv 1
Tonaufnahme 2b: „Beispiel Warnruf vor Feinden aus der Luft, mit anschließendem Erregungsruf und Flucht“ – Quelle: Tierstimmenarchiv 2
Tonaufnahme 2c: „Beispiel Warnruf vor Bodenfeinden.“ – Quelle: Tierstimmenarchiv 3
Die Biophonie setzt sich aus den Gesängen und Rufen von Tierarten zusammen, die miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation dient beispielsweise der Partnerfindung, der Revierverteidigung oder der sozialen Kommunikation. Letzteres sind zum Beispiel Warnrufe vor Fressfeinden.
Die Amsel etwa zeigt verschiedene Gesänge und Rufe. Zu den Gesängen zählt der Reviergesang, dieser wird laut von einer Warte aus gesungen. Der Warnruf vor Feinden in der Luft liegt zwischen 8 und 9 kHz und ist für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar. Auch Meisen, Buchfinken und Rohrammern warnen auf ähnliche Weise vor Fraßfeinden aus der Luft, etwa vor dem Sperber, so dass die Warnrufe über Artgrenzen hinweg verstanden werden. Die Warnrufe vor Bodenfeinden, wie im Beispiel in Tonaufnahme 2c zu hören, werden dagegen sehr gut von uns Menschen gehört, zum Leidwesen mancher Gartenbesitzer, wenn Amseln über Stunden hinweg mit diesem Ruf vor einer lauernden Katze warnen. Gelegentlich steigern sich mehrere Individuen in diesen Erregungsruf hinein, was unter Vogelkundlern auch als „gemeinsames Hassen“ bezeichnet wird.
Abbildungstext: Die oben abgebildeten Frequenzspektren zeigen die Muster der verschiedenen Gesänge der Amsel. Das gezeigte Gesangsmotiv ist in Klangbeispiel 2a zu hören. Die Warnrufe vor Feinden aus der Luft sind dagegen für das menschliche Ohr kaum hörbar, da sie zwischen 8 und 9 kHz liegen. Im Audiobeispiel 2b wurde der Letzte dieser drei Rufe nachträglich verstärkt, so dass er besser wahrnehmbar ist. Im letzten Spektrogramm zeigt sich das Muster der Warnrufe vor Bodenfeinden (Tonaufnahme 2c), dies sind in Gärten vor allem Katzen. Dieser Ruf kann über Stunden fortgesetzt werden.
Diese Kommunikation findet immer vor einer gewissen Menge an Hintergrundgeräuschen statt. Dazu gehören Gesänge anderer Individuen, aber auch die Geräusche der Geophonie und Anthropophonie. Je höher die Menge an Hintergrundgeräuschen, umso schwieriger ist es für einzelne Individuen, sich Gehör zu verschaffen. Der akustische Raum ist also eine begrenzte Ressource, um die die Arten miteinander konkurrieren. Je größer die Menge an Geophonie und Anthropophonie, desto kleiner ist der akustische Raum, der Tierarten noch zur Verfügung steht.
Steigt der Anteil an Hintergrundgeräuschen, zum Beispiel durch Zunahme von Verkehr, führt dies bei Tieren zu ähnlichen Stresssymptomen wie beim Menschen. Sie müssen mehr Zeit und Energie für ihre Gesänge aufbringen. Oder sie verbringen mehr Zeit damit, nach Feinden Ausschau zu halten, aus Angst, diese in der lauten Umgebung zu überhören. Diese Zeit fehlt ihnen dann für die Nahrungssuche4. Dabei ist zu bedenken, dass Vögel während der Brutzeit täglich Hochleistungen vollbringen. Jede zusätzliche Erschwernis kann ihre Energiebilanz in einem kritischen Maß beeinflussen.
1 https://www.tierstimmenarchiv.de/ 2 https://www.tierstimmenarchiv.de/ 3 https://www.tierstimmenarchiv.de/ 4 Shannon, G., McKenna, M.F., Angeloni, L.M., Crooks, K.R., Fristrup, K.M., Brown, E., Warner, K.A., Nelson, M.D., White, C., Briggs, J., McFarland, S. and Wittemyer, G. (2016), A synthesis of two decades of research documenting the effects of noise on wildlife. Biol Rev, 91: 982-1005. doi:10.1111/brv.12207
Tonaufnahme: „Verkehr von der B31, einzelne Vögel und anschließend Einsetzen des Morgenchors“
Samstagmorgen im Frühling, 06. April 2019, 06:00 und 06:10. Wald unterhalb des Pfeiferbergs, Ostseite, nach Kirchzarten hin. Die Aufnahmen von 06:00 und 06:10 wurden zusammengeschnitten. Im ersten Teil von 06.00 hören Sie leise Rufe und Gesänge von Rotkehlchen, Gimpel, Mauersegler und Tannenmeise; im einsetzenden Morgenchor um 06:10: Amsel, Rotkehlchen, Singdrossel und Ringeltaube.
Verkehrslärm übertönt oder erschwert die Kommunikation der Tiere. Aus Sicht von Menschen wird aber auch umgekehrt ein Schuh daraus, die Gesänge der Vögel lenken unsere Wahrnehmung vom Verkehrslärm ab. Dies soll die obige Beispielaufnahme verdeutlicht.
Eine akustisch vielfältige Landschaft ist neben den optischen Aspekten für den Erholungswert und die Ästhetik nicht zu vernachlässigen. „Lärm ist eine der größten und gleichzeitig am meisten unterschätzten Umweltbelastungen für die Menschen“, stellt das Verkehrsministerium in Baden-Württemberg fest1. Das Ministerium ist unter anderem für Lärmkartierungen und Lärmsanierung verantwortlich. Während Verbesserungsmaßnahmen zunächst auf Hauptverkehrswege und besonders stark betroffene Gebiete beschränkt sind, sollen gleichzeitig vorhandene ruhige Gebiete identifiziert und ausgewiesen werden. Bisher jedoch noch ohne weitere rechtliche Folgen.
Auf Grund der strukturreichen Topographie finden sich im Schwarzwald noch viele Orte mit sehr naturnahen Klanglandschaften. Der Lärm verkehrsreicher Straßen wird durch Berghänge effektiv abgeschirmt, wogegen Vegetation eher wenig Schutz vor Lärm bietet. Kein Entkommen gibt es allerdings vom Flugverkehr. Selbst wenn sich die konkrete Lärmbelastung eines hoch fliegenden Fernverkehrsflugzeuges in Grenzen hält, stören die regelmäßigen Überflüge den ungestörten Naturgenuss – spätestens dann, wenn man versucht, konzentriert der Natur zu lauschen.
An einem zufällig ausgewählten Tag im April, dem 07.04.2019, wurden 144 Aufnahmen im Zehn-Minuten-Takt über den Tag verteilt gemacht. Die Auswertung ergab: Auf 20 Prozent der Aufnahmen waren Flugzeuge zu hören.
1 https://vm.baden-wuerttemberg.de/de/mensch-umwelt/laermschutz/ (vom 30.04.2020)
Soundscapes - Tonaufnahmen und Texte: Dr. Sandra Müller